Musikwirtschaft, jene Zweige der Volkswirtschaft,
die sich mit der Produktion, Verwertung, Darbietung und Verteilung von Musik befassen. Dazu zählen die
Musikveranstaltungen (Konzerte, Musiktheater), die Tonträgerindustrie,
Musikverlage, Musiksendungen (Hörfunk, Fernsehen), der Musikinstrumentenbau
sowie der Handel mit Musikalien und Musikinstrumenten. Neben diesem Kernbereich
kann man im weiteren Sinn zur Musikwirtschaft die Musikschulen, Diskotheken und
teilweise die Produktion und den Vertrieb von Geräten der
Unterhaltungselektronik, Bühnen- und Aufnahmetechnik rechnen. Rasch an
Bedeutung gewinnt der Vertrieb von Musik durch das Internet, der alle genannten Bereiche in ihren
Vertriebsformen verwandelt (E-Commerce) und zu neuen Formen von Tonträgern
geführt hat ( Schallplatte/CD). Man kann den Anteil der Musikwirtschaft auf ca.
1% der volkswirtschaftlichen Wertschöpfung schätzen (Brodbeck/Hummel 1991).
Der bedeutsamste Teil der Musikwirtschaft innerhalb der Kulturindustrie ist die Produktion und der
Vertrieb von Tonträgern, die »Musikindustrie« im engeren Sinn. Sie setzte in
Deutschland im Jahre 1998 Produkte im Wert von ca. 5,3 Mrd. DM um.
Hauptumsatzträger ist die CD mit einer
verkauften Stückzahl von knapp 200 Millionen. Der weltweite Umsatz mit
Tonträgern beträgt knapp 40 Mrd. US-$; Deutschland ist nach den USA und Japan
mit 8% Umsatzanteil der drittgrößte Markt.
Musik
wird in vielen Formen zum Wirtschaftsgut: Als verkaufte Komposition (Noten),
bei Live-Darbietungen (Konzerte, Musiktheater, Übertragungen im Fernsehen),
elektronisch aufgezeichnet als Tonträger, Video oder Musikdatei für den Computer. Von der erklingenden Musik ist die musikalische Information zu unterscheiden. Letztere
findet als materiellen Träger traditionell den Notendruck. Die Möglichkeit der
Musikaufzeichnung durch die
Schallplatte, die CD, die Musikkassette oder als Datei erlaubt die
technische Verarbeitung der musikalischen Information und macht sie damit
unmittelbar ökonomisch verwertbar. Allerdings ist es eine Eigentümlichkeit
jeder Information, leicht kopierbar zu sein - bei Musiknoten durch die
Drucktechnik, bei analoger elektronischer Aufzeichnung durch Tonband und
MusiCassette, bei digitalisierter musikalischer Information durch die Speicher-
und Übertragungsmedien der Informationstechnologie. Wirtschaftlich verwertbar
ist die musikalische Information deshalb nur, wenn sie als
»geistiges Eigentum« durch das Urheberrecht ( Copyright) geschützt wird. Die
Verwertung des geistigen Eigentums an der Musik (Kompositionen und
Arrangements) durch Rundfunk- und Fernsehsender oder den Theater- und
Konzertbetrieb erfolgt in Deutschland durch die GEMA (Gesellschaft für
musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte). Insofern
rechnet man die Musikwirtschaft auch zur Copyright-Industrie, die nach unterschiedlichen
Schätzungen etwa 3% der volkswirtschaftlichen Wertschöpfung umfaßt.
Die
Musikwirtschaft befand sich in ihrer historischen Entwicklung in einem
unaufhörlichen Wettbewerb mit den Möglichkeiten der Kopie musikalischer Information, bereits bei den Musiknoten durch
unerlaubten Nachdruck. In den »goldenen Jahren« der Schallplatte (50er und 60er
Jahre) fiel der Verkauf musikalischer Information mit dem Verkauf des
Produkts Schallplatte zusammen. Durch
die Weiterentwicklung der magnetischen Aufzeichnungsverfahren, vor allem der
billigen und einfach zu handhabenden Kassetten-Technologie, führte die Kopie
musikalischer Information zur ersten Existenzkrise für die Musikwirtschaft. Die
Einführung der obligaten Abgabe für Leerkassetten an die GVL (Gesellschaft zur
Verwertung von Leistungsschutzrechten) in Deutschland, die diese Erträge an
ausübende Künstler umverteilt, konnte diese Entwicklung rechtlich normieren und
die wirtschaftliche Verwertung sichern. Die digitale Aufzeichnungstechnik fand
in der CD ein Medium, das durch seine technische Qualität, funktionale
Einfachheit und ästhetischen Reiz die Analogie-Technik der Kassetten und die
damit verbundenen Kopiermöglichkeiten zurückdrängte. Digitale Bandaufzeichnungsgeräte
(z.B. das DAT-Format) wurden durch die von der Musikindustrie durchgesetzten
vielfältigen Kopierschutzmaßnahmen verteuert und damit für ein breites Publikum
unattraktiv. Zwei Innovationen heben diese gesetzlich normierte »Schutzzone«
für die Musikwirtschaft tendenziell auf: Zum einen die Möglichkeit der
einfachen Kopie von CDs durch CD-Brenner auf dem PC ( Computer), zum anderen
neue Aufzeichnungsverfahren, die eine Datenübertragung per Internet erlauben
(z.B. MP3). Die zuletzt genannte Entwicklung stellt für die gesamte M. eine
gewaltige Herausforderung dar. Während im nationalen Rahmen gesetzliche
Regelungen leicht möglich erscheinen, sind internationale Vereinbarungen schwer
durchsetzbar und widerstreben dem Medium Internet. Die Globalisierung schleift
auch hier die nationalen Festungen ordnungspolitischer Schranken ( Soziale
Marktwirtschaft).
Auch
andere Bereiche der M. werden durch technologische und ökonomische Faktoren
dominiert (z.B. der Konzertbetrieb und das Musiktheater). Kreativität und
Innovation in der Popmusik zeigen unverkennbar
die Spuren der jeweils verfügbaren Technologie, während sich die Produktion
unmittelbar am Markterfolg (Charts) orientiert. Die Möglichkeit, über das
Internet Musik weltweit fast kostenlos anbieten zu können, wird deshalb nicht
ohne Wirkung auf die M. und die musikalischen Inhalte bleiben.
Lit: Shemel, S. / Krasilovsky, M. W., This Business of
Music (1985). - Brodbeck, K.-H. / Hummel, M., Musikwirtschaft (1991). - Moser,
R. / Scheuermann A. (Hg.) Handbuch der Musikwirtschaft (1997).
K.-H.
B.
Schallplatte/CD, Tonträger, auf dem
musikalische Informationen
aufgezeichnet werden; bei der S. durch ein elektrisch-analoges Verfahren, bei
der CD durch Digitalisierung. Die
Speicherung des Tonsignals erfolgt bei der S. durch Vertiefungen bzw. bei der
Stereo-S. durch seitliche Ausbuchtungen der Tonspur im Material der S. ( Kunststoff). Das fest
gespeicherte Signal wird durch eine Nadel (Saphir) abgetastet, deren Bewegung
auf eine winzige Induktionsspule übertragen, verstärkt und über Lautsprecher
wieder hörbar gemacht werden kann. Die Urform der S. wurde im September 1887
von dem Elektrotechniker Emil Berliner als US-Patent angemeldet, in
Weiterentwicklung des Phonographen von T. A. Edison, dem es zehn Jahre zuvor
gelungen war, Tonaufzeichnungen durch seinen Walzenapparat vorzunehmen. 1922
löste das elektro-akustische Aufzeichungsverfahren mechanische Verfahren ab.
1948 tritt an die Stelle von Schellack das Vinyl, und die Langspielplatte (LP)
mit 30 cm Durchmesser und 33 1/3 Umdrehungen in der Minute kommt auf den Markt.
Gleichzeitig entsteht die Single mit 45 Umdrehungen pro Minute und 17 cm
Durchmesser. Die Stereo-S. wird 1956 eingeführt.
Die
Aufzeichnungstechnik mittels Magnettonband (Magnetisierung eines mit
Eisenteilen bestückten Kunststoffbandes) gewann erst durch die MusiCassete (MC)
Bedeutung für breite Käuferschichten. Das 3,81 cm breite Band ist durch ein
Kunststoffgehäuse geschützt und läuft mit 4,75 cm/s. Die Länge der
Aufzeichnungszeit beträgt bis zu 120 Minuten. Im Unterschied zur S. ist die MusiCassette
durch einfache Geräte (Kassettenrecorder) selbst bespielbar. Entwickelt und
erstmals angeboten wurde die MC 1964 durch die niederländische Firma Philips.
Die
CD (= Compact Disc), die 1983 von der Firma Philips in Zusammenarbeit
mit Sony auf den Markt gebracht wurde, beruht auf einem digitalen
Aufzeichnungsverfahren ( Digitalisierung). Das ursprüngliche Tonsignal wird
hierbei durch einen binären Code (0 und 1) repräsentiert und kann wie eine Information auf dem PC gespeichert und
verarbeitet werden. Die digitale Information ist von der Amplitude des
Tonsignals unabhängig und damit rauschfrei. Die CD ist ein plattenförmiges
Speichermedium, das mittels Laserstrahl optisch abgetastet wird; sie hat einen
Durchmesser von 12 cm. Es gibt auch Magnetbänder für digitale Tonaufzeichnung,
z.B. das Digital Audio Tape (DAT 1986), das wegen einer Kopierschutzeinrichtung
für breite Käuferschichten uninteressant, da zu teuer blieb ( Musikwirtschaft).
Der
Erfolg der CD beruht nicht zuletzt darauf, daß im selben Format wie die
Musik-CD Datenträger für den PC ( Computer) verwendet werden können (CD-ROM).
Auf dem PC kann damit jede Art von Information ( Musik, Text,
Bild) durch ein einheitliches Abspielgerät gelesen und
(weiter)verarbeitet werden. In jüngerer Zeit hat sich durch den CD-Brenner eine
ganz neue Möglichkeit ergeben, CDs auf dem Computer selbst zu bespielen. Auch
die DVD (= Digital Vertile Disk) stellt eine Weiterentwicklung der CD
dar, die zweiseitig bespielbar ist und mit einer vielfachen Speicherkapazität
der herkömmlichen CD eine völlig neue Qualität der Bild- und Tonwiedergabe
erlaubt. Eine weitere Revolution auf dem Tonträgermarkt zeichnet sich durch das
Internet-Format MP3 ab. Sound-Files im MP3-Format tauchen seit 1998 im Internet auf. Es handelt sich um bearbeitete
Musikinformation, die nicht hörbare Töne eliminiert und somit die Größe des
Files (= Informationspaket im Digitalformat) für das Internet übertragbar
macht. Durch ein Abspielgerät können Musik-Daten direkt vom PC in den
RAM-Speicher eines Abspielgerätes kopiert werden (Kapazität ca. zwei CD). Über
das Internet übertragene Musikdateien können auch auf CD-Brennern direkt in
Musik-CDs verwandelt werden.
Die
Tonträgerindustrie ist ein erheblicher Wirtschaftsfaktor (à Musikwirtschaft). In
Deutschland wurden bereits vor dem ersten Weltkrieg jährlich knapp 20 Millionen
S.n verkauft. 1929 erreichte diese Zahl mit 30 Mio. einen vorläufigen
Höhepunkt, der nach dem Zweiten Weltkrieg erst 1955 mit 31 Mio. verkauften S.n
überschritten wurde. Die Vinyl-Technologie erreichte 1979 mit knapp 160 Mio.
verkaufter S.n (Single und LP), die MC 1991 mit 78 Mio. Stück ihren Höhepunkt.
Die Vinyl-S. ist inzwischen ohne praktische Bedeutung, MusiCasseten werden
heute nur noch ca. 25 Mio. Stück jährlich verkauft. Einen Siegeszug trat die CD
an, deren Produktzyklus 1997 mit 197 Mio. Stück den Höhepunkt erreicht haben
dürfte. Weltweit wurden 1997 etwa 4 Mrd. Tonträger insgesamt verkauft.
Die
S. hat auch den Konzertbetrieb und den Inhalt der Musikproduktion völlig
verwandelt; die Popmusik ist ohne S./CD
undenkbar. Die S. ist nicht nur ein Aufzeichnungsmedium, das sich mit Hörfunk und
Fernsehen in einer Ko-Evolution entwickelt hat, es wurde als »Album«
oder »Single« in der Popmusik selbst zu einer neuen musikalischen Form. Ästhetisch
ist die S. allerdings umstritten. Während z.B. Sergio Celibidache (1996
verstorbener Dirigent der Münchener Philharmoniker) der S. rundweg die Qualität
absprach, »Musik« wiedergeben zu können, weil
Musik sich vom bloßen Klang auf S. unterscheide, meinte Glenn Gould:
»Der Konzertsaal ist tot«. Tatsächlich kann der Hörer von Tonträgern Ort, Klang
und Dynamik der Wiedergabe selbst bestimmen und wird so zum »Mit-Interpreten«.
Durch massenhafte Verbreitung wird Musik auf Tonträgern zu einem allgegenwärtigen
Phänomen in den Medien und im Alltag. Die Digitaltechnik eröffnet außerdem
völlig neue Möglichkeiten der Nachbearbeitung von musikalischer Information
(»Sampling«) und verwischt die Trennung von Musikproduzent und ‑konsument
weiter. Musikalische Information kann heute jeder selbst auf dem PC erzeugen
und per Internet weltweit anbieten. Ob daraus Musik wird, ist allerdings
fraglich.
Lit:
K. Blaukopf, Massenmedium Schallplatte (1977). - P. Zombik, Die Schallplatte:
Kulturträger und Wirtschaftsfaktor; in: Media Perspektiven 7/87. - Brodbeck,
K.-H. / Hummel, M. Musikwirtschaft
(1991).
K.-H.
B.